Ein Beitrag zur Beschneidungsdebatte

Die Beschneidung von Jungen ist eine alte Tradition. Ein Drittel der männlichen Weltbevölkerung ist beschnitten. Doch ist es deshalb richtig? Das Kölner Landgericht hat die Beschneidung als Körperverletzung gewertet und damit eine längst überfällige Debatte angestoßen.

So harmlos wie vielfach angenommen ist die Beschneidung nicht. Es wird nicht einfach nur ein überflüssiges Körperteil entfernt. Bei 10 Prozent aller Beschneidungen kommt es zur krankhaften Harnöffnungsverengung. Es treten immer wieder Komplikationen auf, bis hin zum Verlust des Penis. Todesfälle sind relativ selten. In den USA sind es immerhin rund 120 Kinder pro Jahr.

Auch die Sexualität wird durch die Beschneidung verändert. Da mag man sich streiten, ob der Verlust der stark sensitiven Vorhaut ein Verlust ist – ein dauerhafter erheblicher Eingriff ist die Amputation auf jeden Fall. Ist die Vorhaut doch deutlich empfindlicher als die Eichel selber. Auch die Möglichkeiten zur Masturbation sind eingeschränkter, da die Oberfläche der Eichel nach der Beschneidung austrocknet. Ein Grund dafür, warum sich auch viele fundamentalistische Christen für die Beschneidung ihrer Kinder entscheiden. „Sündigem Treiben“ soll damit vorgebeugt werden.

Doch über solche gravierenden Veränderungen sollte nur der Betroffene selbst entscheiden und nicht Eltern, Priester, Rabbi oder Iman. Auch gibt es beim Thema Beschneidung oft einen gesellschaftlichen Druck. Ein Drittel der jüdischen Eltern führt die Beschneidung auch deshalb durch – nicht weil sie davon überzeugt sind. Doch warum wurde dies nicht schon viel früher debattiert? Zum einen, weil es ein sehr sensibles Thema ist. Eine öffentliche Debatte über Geschlechtsorgane und Sexualität wäre noch vor ein paar Jahrzehnten so nicht denkbar gewesen.

Zum anderen verhinderte die religiöse Sexualmoral eine Beschneidungsdebatte. Gerade deshalb ist diese auch so wichtig. Die Kritik an den Beschneidungen geht teils über das Ziel hinaus. So kann man den allermeisten jüdischen oder muslimischen Eltern nicht vorwerfen, ihre Kinder bewusst zu misshandeln oder ähnliches. Aus ihrer Sicht erscheint es richtig und wichtig, ist es eine schützenswerte Tradition, die auch Identität stiften soll.

Um so wichtiger ist es, den Dialog mit den Eltern zu suchen, sie über die Konsequenzen einer Beschneidung aufzuklären. Während in den USA in den 1980er Jahren noch rund 80 Prozent der Jungen beschnitten wurde, sind es mittlerweile nur noch die Hälfte. Trotz starker religiöser Einflussnahme kippt die Stimmung allmählich. In Kalifornien wurde bereits versucht, die religiöse Beschneidung verbieten zu lassen.

Bleibt eigentlich nur eine Frage: Ist ein Verbot der richtige Weg? Bei der Abwägung stehen sich Religionsfreiheit und Kindeswohl gegenüber. Die falsche Tradition ist so fest verwurzelt, dass Beschneidungstourismus ins Ausland oder Beschneidungen im Hinterhof drohen. Doch trotzdem muss man die körperliche Unversehrtheit der Kinder zu schützen versuchen.

Soweit nicht aus medizinischen Gründen im Einzelfall notwendig, gehört die Beschneidung verboten. Die Debatte muss weitergehen. Die Beschneidung bleibt eine Körperverletzung, die verboten gehört. Und darüber muss aufgeklärt werden! Ein Erwachsener kann sich gerne für eine Beschneidung entscheiden, ob aus religiösen oder anderen Gründen. Solange es seine freie Entscheidung ist und nicht andere sie in seinem Namen treffen. Diese Amputation der Vorhaut vorwegzunehmen, nur um alten religiösen Geboten zu folgen, kann aber nicht richtig sein.