Interview mit Dr. Peter Tauber: Netzsperren widersprechen Wesensmerkmal des Internet

Am Montag führte ich ein Gespräch mit Dr. Peter Tauber (CDU) über die Arbeit der Internet-Enquete im Deutschen Bundestag und die Netzpolitik seiner Partei. Er begeistert sich für die unmittelbaren Möglichkeiten der Kommunikation und Partizipation im Netz und hält sie für revolutionär.

Der 36-jährige Peter Tauber gehört seit 2009 dem Deutschen Bundestag an. Er ist Mitglied in den Bundestagsausschüssen für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie für Arbeit und Soziales sowie im Unterausschuss Bürgerliches Engagement. Außerdem ist er Mitglied der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“. Peter Tauber betreibt einen politischen Blog. Im Gespräch mit mir spricht Tauber sich für so wenig Regulierung und staatlichen Eingriff in puncto Internet wie möglich aus und meint, dass Netzneutralität keiner gesetzlichen Festschreibung bedarf, sondern mit den aktuell zur Verfügung stehenden Regulierungsvorschriften gewährleistet werden kann. Zudem bekennt er, dass er in netzpolitischen Fragen auf so manchen Widerstand in seiner eigenen Partei stoße: beispielsweise beim Thema Netzsperren, die er generell ablehnt. Ebenso bedauert er, dass die CDU noch keine geschlossene netzpolitische Agenda habe.

Hier die anderen fünf Interviews:

Erster Teil: Fragen rund um die Internet-Enquete

Herr Dr. Tauber, wie kamen Sie mit dem Thema Netzpolitik in Berührung?

Das fällt in die Zeit, als ich Landesvorsitzender der Jungen Union Hessen war. Damals fragte ich mich, wie ich das Internet für mich und meine politische Arbeit nutzen kann: Wie funktioniert politischer Dialog mit dem Bürger im Netz? Welcher technischen und organisatorischen Rahmenbindungen bedarf es? Wie bewege ich mich in den Social Media? Als ich dann im Wahlkampf 2009 als Bundestagskandidat gegen jemanden antrat, den schon alle kannten und ich eine Möglichkeit finden musste, auf einem relativ schnellen und leichten Weg viele Menschen zu erreichen, kam dann verstärkt das Internet ins Spiel. Damit verbunden stieg auch mein Interesse an gesellschaftspolitischen Fragen, die die Nutzung des Internet betreffen.

Auf gemeinsamen Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde im März 2010 die Einsetzung der Internet-Enquete vom Deutschen Bundestag beschlossen. Welche Motivation stand seitens der CDU-Fraktion dahinter?

Wir wollten uns damals mit dem Thema Netzpolitik auch in einer anderen Form befassen, als nur im Rahmen parlamentarischer Debatten, wo es viele kontroverse Auseinandersetzungen gab: wie bei der Diskussion „Netzsperren versus Löschen statt Sperren“. Der Schwerpunkt sollte gerade auch auf die langfristigen Perspektiven in der Netzpolitik gelegt werden – weg von reiner Tagespolitik.

Welche gesellschaftspolitischen Fragen thematisiert die Enquete?

Zum Beispiel: Welche Voraussetzungen brauchen wir für die Organisation einer digitalisierten Gesellschaft? Stichwort: Netzinfrastruktur (Breitbandausbau etc.) und Netzneutralität. Es ist wichtig, dass alle beteiligten Akteure – Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – sich dessen bewusst werden und darüber diskutieren. Dann gibt es den ökonomischen Aspekt: Was bringt uns die digitale Gesellschaft? Wo liegen die Chancen für unsere Volkswirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen? Mich persönlich interessiert jedoch am meisten die Frage, was das Netz mit unserer Gesellschaft macht: Wie verändert es Demokratie, Meinungsbildung, Kommunikation, Bildung und politische Teilhabe? Darüber wird noch viel zu wenig reflektiert. Die Chancen einer digitalisierten Welt werden viel zu wenig betont. Weitere Fragen sind: Wie verändern sich Kulturtechniken? Wie gehen wir mit Wissen um? Verlagern wir es in die Cloud? Was bedeutet all das für unser kulturelles Gedächtnis? Wie verändert sich unsere Gesellschaft und wie entwickelt sich vor diesem Hintergrund so etwas wie ein Gemeinschaftsbewusstsein? Was weiß der Einzelne noch auf Anhieb, auch ohne jederzeit verfügbares Wissen aus dem Netz? All diese Fragestellungen haben massive Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und sollen in der Internet-Enquete behandelt werden.

Das Enquete-Mitglied Jimmy Schulz (FDP) sprach bezüglich des Einsatzes des Bürgerbeteiligungstools „Adhocracy“ im Rahmen der Enquete-Arbeit von einer kleinen Revolution. Teilen Sie diese Ansicht?

Adhocracy ist aus meiner Sicht ein Tool – keine Revolution. Eine Revolution ist die unmittelbare Möglichkeit der Kommunikation und Partizipation durch das Internet. Die große Herausforderung besteht darin, diese zu institutionalisieren. Weil jeder Dialog zumeist zwischen zwei Menschen stattfindet und selten zwischen einer Institution und einem Menschen. Und auch für Politiker ist es unheimlich schwierig, bei der knapp bemessenen Zeit, die täglich bleibt, den Bürgern eine ausreichende Möglichkeit der direkten Kommunikation zu bieten. Adhocracy ist vielleicht ein Tool, das helfen kann, dies zu kanalisieren.

Derzeit gibt es auf https://www.enquetebeteiligung.de rund 1.800 Mitglieder. Sind Sie mit der bisherigen Bürgerbeteiligung zufrieden? Oder sehen Sie einen Verbesserungsbedarf?

Die Arbeit in der Enquete zeigt, dass das Adhocracy-Tool selbst noch keinen Mehrwert generiert. Es kommt auch auf die Frage an, ob es überhaupt genügend Bürger gibt, die das nutzen. Im Verhältnis zur Bedeutung von Netzpolitik tun das viel zu wenige. Ich bin natürlich über jeden froh, der sich daran beteiligt. Aber das Thema interessiert vielleicht noch nicht so viele Menschen, wie gemeinhin angenommen wird. In der Projektgruppe Netzneutralität beispielsweise, in der wir Adhocracy aber auch erst relativ spät einsetzten, gab es viel weniger Rückmeldungen als in anderen Projektgruppen. Entweder, weil die Thematik zu kompliziert ist oder diese von den Bürgern im politischen Dialog nicht so sehr als Problem angesehen wird. Eine weitere Möglichkeit kann sein, dass viele Bürger noch gar nichts davon wissen, dass sie sich über Adhocracy beteiligen können. Daher muss auch darüber geredet werden, wie eine breitere Öffentlichkeit erreicht werden kann.

In ihrem Blog „Schwarzer Peter“ drückten Sie kürzlich in einem Beitrag Ihr Bedauern darüber aus, dass die Ergebnisse der Projektgruppen Netzneutralität und Datenschutz in der letzten Sitzung der Internet-Enquete nicht beraten und beschlossen werden konnten. Sie kritisieren, dass einige Beteiligte in der Enquete den Geist des Konsenses längst aufgegeben haben. Könnten Sie dies bitte konkretisieren?

Das Problem kennen wir ja von den parlamentarischen Gepflogenheiten: Die Opposition schlägt etwas vor und die Regierung lehnt es reflexartig ab. Und umgekehrt. Es ist äußerst selten, dass Vorschläge fraktionsübergreifend eine Zustimmung finden. Doch der Charme der Internet-Enquete besteht ja genau darin, dass sich alle Beteiligten sagen können: Ok, jetzt sind wir mal raus aus der Tagespolitik und können über Probleme langfristiger nachdenken. Da gibt es auch Sachverständige, die imstande sind, politische Fronten aufzubrechen. Und wir können gemeinschaftlich Texte erarbeiten. Das ist auch zum Teil gelungen. Gerade die (Koalitions-)Mehrheit hat hier die Verantwortung, im Sinne einer Konsensfindung von Maximalforderungen abzurücken, die sie mit Mehrheit durchdrücken könnte. Wenn dann jener Konsens gefunden wurde und im Anschluss die Opposition neue Änderungsanträge vorlegt, die deren ursprüngliche, reine Positionen beinhaltet, ist das sehr bedauerlich. Das betrifft beispielsweise den Text zum „Löschen statt Sperren“, den die von mir betreute Projektgruppe Netzneutralität ausgearbeitet und verabschiedet hat. Viele Passagen daraus waren in meiner Fraktion umstritten: trotzdem setzte ich mich damit durch, diese im Text stehen zu lassen. Dann gab es jedoch einen Änderungsantrag, der weit darüber hinaus ging. Das zeigt, dass wir, sobald die Enquete öffentlich tagt, zumeist wieder in einen rein politischen Schlagabtausch verfallen. Wohl auch deshalb, weil die Schwierigkeit bei einem gemeinsamen Konsens mit dem politischen Gegenspieler darin besteht, diesen dann auch in der eigenen Partei zu verkaufen.

Seitens Medien und Netz-Community wurde insbesondere die Koalitionsmehrheit aus CDU/CSU und FDP kritisiert, aus parteitaktischen Überlegungen heraus den Zwischenbericht verschoben zu haben. Der Sachverständige Markus Beckedahl sprach von einer „Schmierenkomödie. Er warf der Koalition vor, kein Interesse daran zu haben, mehrheitlich für die Empfehlung einer gesetzlichen Festschreibung der Netzneutralität zu stimmen und im Rahmen der Telekommunikationsgesetz-Novelle eine ganz andere Richtung zu bevorzugen. Wie reagieren Sie auf diese Kritik?

Markus Beckedahl selbst macht doch solche parteitaktischen Spiele, wenn er behauptet, wir würden hier etwas verhindern oder verschleiern wollen – das ist Quatsch! Solch ein Verhalten finde ich unangemessen. Beckedahl mutmaßt ja einfach nur, dass es eine Mehrheit für die gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität gäbe. Ich behaupte: Die gibt es nicht! Denn auch die Projektgruppe Netzneutralität hat sich mit Mehrheit gegen eine gesetzliche Verankerung ausgesprochen. Warum? Weil sich nach Fachgesprächen – auch mit dem Chef der Bundesnetzagentur, der meinte, über genügend Mittel zu verfügen, um Netzneutralität sicherzustellen – herausgestellt hat, dass Netzneutralität mit den zur Verfügung stehenden Regulierungsvorschriften bereits gewährleistet werden kann.

Die Internet-Enquete beschließt keine Gesetze, sondern gibt nur Handlungsempfehlungen, die nicht bindend sind. Kann das Gremium vor diesem Hintergrund überhaupt zur Lösung von netzpolitischen Fragen beitragen? Welche realpolitische Relevanz hat es?

Wer erwartet, dass die Internet-Enquete dafür sorgen kann, dass morgen Gesetze erlassen oder geändert werden, der hat den Sinn und Zweck einer solchen Kommission nicht verstanden. Die Enquete richtet sich einerseits an die Netz-Community: Das sind alles Leute, die im Netz leben, sich dort sehr gut auskennen und unheimlich viel Know-how besitzen. Aber: Die Enquete soll sich ja eben auch an die weniger netzaffinen Bürger richten, die noch nicht erkannt haben, was ihnen persönlich das Internet bringt und wie wichtig dieses für unser Land ist. Diese mit netzpolitischen Themen zu erreichen und darüber aufzuklären, wie sehr das Internet unsere Art zu leben und denken verändern wird, ist die große Herausforderung. Das ist noch nicht ausreichend gelungen. Dies sehe ich als eine der wichtigsten Aufgaben der Internet-Enquete an. Da müssen wir auch direkt auf die Menschen zugehen: So wie ich das beispielsweise mit Vorträgen zum Thema Social Media in meinem Wahlkreis tue – da lade ich Menschen aller Altersgruppen ein, um darüber zu diskutieren, welche Chancen uns die neuen Medien bieten, und ich versuche sie dafür zu sensibilisieren. Dabei kommt mir vor allem auch meine Beschäftigung mit Netzpolitik im Rahmen der Internet-Enquete zugute, die damit auch einen praktischen Nutzen hat. Die Enquete-Mitglieder sind also auch gefordert, das während der Arbeit in dem Gremium gesammelte Wissen und die dabei gewonnenen Erfahrungen in ihrem eigenen Wirkungskreis, sei es im Unternehmen, in einer Organisation, im Wahlkreis etc., zu kommunizieren, um den gesellschaftlichen Diskurs zu stärken.

Wie fällt Ihr Resümee bezüglich der bisherigen Arbeit der Internet-Enquete aus? Und welche der bereits beschlossenen Handlungsempfehlungen halten Sie für besonders wichtig?

Zur Arbeit der Enquete zitiere ich gerne Max Weber mit dem Aphorismus: „Politik ist das lange und langsame Bohren dicker Bretter. Sie erfordert Leidenschaft und Augenmaß“. Wir erleben auch in der Enquete, dass es in unserer komplexen Welt zumeist keine einfachen und schnellen Antworten gibt – obwohl es oft diese Erwartungshaltung von außen gibt. Dennoch macht mir die Arbeit in der Enquete sehr viel Spaß – auch der Dialog mit Markus Beckedahl, obwohl ich mich manchmal über ihn ärgere. In puncto Handlungsempfehlungen empfand ich es als besonders wichtig, was die Projektgruppe Medienkompetenz bis dato erarbeitet hat. Insbesondere die Forderung, dass jeder Schüler einen eigenen Laptop erhält. Aus meiner Sicht ist das ein ganz wichtiger Baustein im Bildungsbereich, um Kindern und Jugendlichen wie selbstverständlich den Umgang mit neuen Medien zu ermöglichen – ohne soziale Hürden, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Das hat nicht nur einen gewissen Symbolcharakter, sondern ist auch ein konkretes Ergebnis, an dessen politische Umsetzung man sich machen kann.

Zweiter Teil: Allgemeine netzpolitische Fragen


Welche Ziele verfolgt die CDU in puncto Netzpolitik?

Die Herausforderung, die sich nach wie vor für die CDU stellt, ist, dass die Netzpolitik mittlerweile zwar als Querschnittsthema angenommen wurde, dass es uns aber noch nicht gelungen ist, auch die Fachpolitiker, die jeweils betroffen sind, ausreichend für das Thema zu sensibilisieren. Natürlich gibt es verschiedene Bemühungen und Ansätze: Dazu gehört beispielsweise das persönliche Engagement von Kollegen wie Thomas Jarzombek (CDU) in Sachen Medienkompetenz oder von Dorothee Bär (CSU) bezüglich politischer Partizipation. Jedoch hat die Union noch nicht so etwas wie eine runde oder abgeschlossene netzpolitische Agenda. Sie nutzt jedoch aktuelle Diskurse, um ihren eigenen netzpolitischen Kompass festzulegen. So wie die CSU einen Netzrat ins Leben rief, wird auch die CDU zukünftig sehr viel stärker der Frage nachgehen, wo die Leitlinien und Eckpunkte in der Netzpolitik liegen, die bisher nur punktuell beantwortet wurde. Auch hierbei können die Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Internet-Enquete sehr hilfreich sein.

Welche netzpolitischen Themen liegen Ihnen besonders am Herzen?

Mich interessieren vor allem die Partizipationsfragen und die demokratietheoretischen Aspekte. Dank dem Internet eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten: Der Bürger kann ganz anders als zuvor mit einem Politiker in einen Dialog treten und sich an politischen Diskussionen beteiligen: sei es per E-Mail oder über soziale Medien wie Facebook und Twitter.

Birgt das Internet für Sie auch Herausforderungen im Dialog zwischen Politik und Bürgern? Sehen Sie hier bestimmte Problemstellungen?

In jedem Fall: Wird beispielsweise über den direkten Weg der Internetkommunikation nicht auf eine Kontaktanfrage eines Bürgers eingegangen, kann das bei diesem zu erheblicher Frustration führen: Die Bürger machen dann eine Negativerfahrung und fühlen sich in ihrer Wahrnehmung bestätigt, dass ihnen die Politik sowieso nicht zuhört. Es ist also für Parteien und Politiker eine unheimlich große Herausforderung, diesen Dialog zu organisieren, wenn fundierte und sachgerechte Entscheidungen von uns erwartet werden. Momentan stellen etwa 20 Bürger pro Tag solche Anfragen bei mir – mein Wahlkreis hat aber 250.000 Einwohner. Wenn sich die Zahl der Anfragen auch nur auf 250 Bürger erhöhen würde, könnte ich das nicht mehr bewerkstelligen. Die zweite Herausforderung, die ich sehe: Im Internet gibt es die große Chance, dass ich meine Meinung sage. Also auch ich als CDU-Abgeordneter, wenn ich mit einem Entschluss meiner Fraktion nicht zufrieden bin, wie bei der Griechenlandhilfe, habe jetzt viel besser als früher die Möglichkeit, in meinem eigenen Blog meine Meinung darzulegen. Die spannende Frage ist aber, und das merkt man auch an manchen Diskursen in der Internet-Enquete: Wie steht es um die Fähigkeit, von meiner eigenen Meinung ausgehend mit anderen im Dialog einen Kompromiss und einen Konsens zu finden? Denn es ist natürlich auch ein Wesensmerkmal von Demokratie, dass am Ende nie meine alleinige Meinung als Ergebnis stehen wird, sondern eine Mehrheitsmeinung, bei der eine qualifizierbare Zahl an Menschen sich mit ihrer Meinung nicht durchsetzt. Das gilt es zu akzeptieren. Leider merken wir an vielen Stellen der Gesellschaft, dass es zunehmend Gruppen gibt, die nicht dazu bereit sind, den mit Mehrheit gefundenen Konsens zu akzeptieren und mitzutragen. Ob das Internet an dieser Stelle eine positive oder negative Auswirkung hat, ist eine Frage, die mich auch in meiner politischen Arbeit enorm beschäftigt. Dies finde ich ganz wichtig, da die Beantwortung dieser Frage auflöst, ob das Internet am Ende zu mehr Demokratie und deren Akzeptanz führt oder dazu, dass Leute sich von dieser abwenden. Das Internet bietet zwar viele Chancen für mehr Demokratie und Teilhabe – das ist aber kein Automatismus.

Jimmy Schulz (FDP) erklärte mir gegenüber, dass alle Gesetze, die in den letzten zehn Jahren im Bereich Internet erlassen wurden, nichts Positives bewirkt hätten und immer noch die negativen Aspekte in der politischen Diskussion im Vordergrund stehen, statt die Chancen des Internet. Die CDU gehört zu denen, die zusammen mit anderen Parteien in den letzten Jahren eben solche Gesetze zur Regulation und Überwachung des Internet vorantrieben: z. B. in puncto Vorratsdatenspeicherung und Netzsperren. Wie frei kann aus Ihrer Sicht das Netz sein?

Das ist ein Diskurs, den ich auch in meiner Partei führe. Ich persönlich bin in die CDU eingetreten, weil sie die Partei der Freiheit ist. Aber Freiheit bedeutet für mich nicht, tun und lassen zu können, was ich will, sondern Verantwortung zu übernehmen. Für mich selbst, aber auch für andere. Wenn ich das auf das Netz übertrage, bin ich natürlich für möglichst wenig Regulierung und staatlichen Eingriff. Denn ich bin der Auffassung, dass ich als Bürger sehr wohl die Möglichkeit habe, darüber zu reflektieren, was ich im Netz tue und was nicht. Die spannende Frage ist nur: Wo verläuft die Linie, wo ich als Bürger alleine nicht mehr entscheiden kann? Und da gehöre ich gewiss nicht zu denjenigen, die diese Linie ständig absenken wollen und fordern, da muss der Staat eine Verantwortung für die Bürger übernehmen. Sondern ich gehöre zu denen, die sagen: Traut den Bürgern mehr zu! Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Netzes.

Gibt es mehr Schnittmengen zwischen den Netzpolitikern der jeweiligen Fraktionen als zwischen den Netzpolitikern und Ihrer jeweils eigenen Fraktion? Oder andersherum?

Zu den Netzpolitikern der anderen Fraktionen gibt es meinerseits einen guten und intensiven Kontakt. Wie zu Lars Klingbeil (SPD) oder Konstantin von Notz (Grüne). Uns verbindet natürlich auch das Anliegen, auf die Bedeutung von Netzpolitik aufmerksam zu machen. Ansonsten kämpfen wir alle individuell mit dem einen oder anderen in unserer jeweiligen Partei – so wie Lars Klingbeil zuletzt beim Thema Vorratsdatenspeicherung in der SPD. Und ich führe ähnliche Debatten, wenn sich die Union zu solch einem Thema äußert. So wie bei meiner Ablehnung von Netzsperren und der Befürwortung von „Löschen statt Sperren“. Das Sperren von Inhalten im Netz ist für mich nicht mit dem Wesensmerkmal des Internet vereinbar und auch effektiv ungeeignet.

Dieser Beitrag wurde von mir auf politik-digital.de am 26.7.2011 erstveröffentlicht.