Überwachung eines Bürgerrechtlers

Fast 40 Jahre unter Verfassungsschutz-Beobachtung: Wer muss man sein, um so eine lange Überwachung zu rechtfertigen? Terrorist? Verfassungsfeind? Ein Bürgerrechtler zu sein, scheint auszureichen!

Zuletzt berichtete Charlie im Beitrag Yes, wie scan! – Staatliche Überwachung außer Kontrolle über den Überwachungsskandal rund um PRISM und Tempora. Während es darin um die flächendeckende verdachtsunabhängige Überwachung der Bürger/innen ging, komme ich in diesem Beitrag auf ein erschreckendes Einzelschicksal zu sprechen.

Rolf Gössner (65) ist ein prominenter Bürgerrechtsaktivist. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift Ossietzky, Jury-Mitglied der Big Brother Awards und Vizepräsident der Berliner Internationalen Liga für Menschenrechte. Als Mitherausgeber war er an der Erstellung des jährlich erscheinenden „Grundrechte-Reports“ beteiligt, der regelmäßig von ehemaligen Verfassungsrichtern wie Jutta Limbach präsentiert wird. Hat ihn das verdächtig gemacht? 38 Jahre lang stand er im Visier des Verfassungsschutzes.

Auf Wanzen wurde dabei scheinbar verzichtet, doch ansonsten wurden fleißig Informationen gesammelt. Laut seinem Anwalt scheint er 1970 in das Visier der Ermittler gekommen zu sein. Damals kandidierte er für den sozialistischen Studentenbund. Dass er beobachtet wird, stellte er durch einen Zufall fest: Als nämlich eine Akkreditierung aufgrund einer routinemäßigen Sicherheitsüberprüfung fehlschlug. Doch überwacht wurde er nicht für seine Taten. Er scheint nicht für seine Schriften beobachtet worden zu sein.

Seine beruflichen Kontakte zu linken Gruppen, wie den Verfolgten des Naziregimes, scheinen ihn verdächtig gemacht zu haben. Nach Angaben des Anwaltes gehen die Akten so weit, dass er besonders verdächtig ist, weil er kein Mitglied einer extremistischen Gruppe ist! Damit versuche er nur seine Tarnung als unabhängiger Experte zu wahren. Rolf Gössner wehrte sich gegen die Überwachung, wollte wissen, warum er beobachtet wird.

Doch der Verfassungsschutz zeigte sich hartnäckig und wollte die Beobachtung nicht einstellen. Erst auf dem Gerichtsweg konnte dem Spuk ein Ende gemacht werden. Das Verwaltungsgericht Köln stellte 2011 fest, dass die Überwachung durchgehend rechtswidrig war. Fast 40 Jahre wurde Rolf Gössner zu Unrecht überwacht. Der Verfassungsschutz mit seinem „Totalversagen“ beim Terror der NSU scheint seine Kapazitäten lieber auf Bürgerrechtler wie Rolf Gössner konzentriert zu haben. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.