Die Klimakrise kennt keine Grenzen

(Globale Temperaturschwankungen von 1850-2021 | Quelle der Grafik: https://showyourstripes.info/l/globe | Creator: Ed Hawkins | Licensor: University of Reading | License: CC BY 4.0)

Aufgrund der fortschreitenden Erderwärmung häufen sich weltweit extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und Wirbelstürme. Zugleich nimmt die Biodiversität immer weiter ab. Hauptverursacher des Klimawandels ist der Mensch – ob durch die Abholzung der Regenwälder, die vor allem wegen der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas erzeugten CO₂-Emissionen, die Massentierhaltung und die Verunreinigung von Luft, Boden und Wasser. Für Mensch, Tier und Natur hat dies katastrophale Folgen. Um künftigen Generationen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen, müssen wir jetzt konsequent handeln: auf politischer Ebene, aber auch individuell durch eine Änderung unserer Lebensweise und der damit verbundenen Konsumgewohnheiten.

Fakt ist, dass es in der Klimawissenschaft einen breiten Konsens darüber gibt, dass die Klimakrise hauptsächlich auf den Menschen zurückzuführen ist. In diesem Sinne hatte das Bundesverfassungsgericht am 24. März 2021 in einem richtungsweisenden Urteil unterstrichen, dass der Staat dazu verpflichtet sei, die Bevölkerung und zukünftige Generationen vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen und mit den natürlichen Lebensgrundlagen sorgsam umzugehen. Im Urteil heißt es dazu unter anderem:

„Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen. […] Das Klimaschutzgebot verlangt vom Staat international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken. Der Staat kann sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen. […] Auch der objektivrechtliche Schutzauftrag des Art. 20a GG schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten.“

Das Urteil fußt auf mehreren, teilweise erfolgreichen Verfassungsbeschwerden gegen das am 12. Dezember 2019 vom Bundestag beschlossene Klimaschutzgesetz und lässt sich in einer Formel zusammenfassen: Klimaschutz ist ein Grundrecht! Das Bundesverfassungsgericht verpflichtete den Gesetzgeber dazu, im Sinne der Klimaneutralität die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 zügig näher zu regeln – was nur vier Monate später auch geschah.

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Der im August 2021 veröffentlichte Bericht des Weltklimarats (IPCC) zeigte jedoch auf, dass es mehr Maßnahmen als die politisch beschlossenen braucht, damit Deutschland seinen Anteil zur Erreichung des im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbarten 1,5-Grad-Ziels noch erfüllen kann. Dazu gab Eckart von Hirschhausen in den ARD-Tagesthemen einen exzellenten Kommentar ab. Hier ein Auszug: „Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. […] Die Atmosphäre ist keine Dunstabzugshaube. Sie ist eine hauchdünne Schicht, die unser Überleben sichert, so dünn wie die Haut eines Apfels und so verletzlich. […] Wir brauchen jetzt Politik, die auf Wissenschaft hört, handelt und konsequent Emissionen senkt.“

Eines ist klar: Die natürlichen Ressourcen der Erde sind begrenzt – wenn wir so wie jetzt weitermachen, dann sind diese irgendwann aufgebraucht. Diese Entwicklung soll der sogenannte „Earth Overshoot Day“ (zu Deutsch: Erdüberlastungstag) veranschaulichen, der in diesem Jahr am 28. Juli 2022 war. Rein rechnerisch lebt die Menschheit seitdem auf Pump. Das heißt: Auf ein Jahr bezogen sind seitdem alle verfügbaren natürlichen Ressourcen aufgebraucht. Es ist symbolisch gemeint – aber der Ernst der Lage wird sehr deutlich. Zumal wohlhabende Länder wie Deutschland diesen Tag bereits viel früher erreicht haben und damit besonders ressourcenhungrig sind.

Übersicht: “Earth Overshoot Day” im jeweiligen Land


Vergleich: Erdüberlastungstage seit 1971

Ermittelt und bereitgestellt werden die Daten für diesen ökologischen Fußabdruck der Menschheit von der gemeinnützigen Organisation „Global Footprint Network“. Für einen allgemeinen Überblick zum Ressourcenverbrauch ist das sehr hilfreich. So stellt das Umweltbundesamt fest, dass dieses Konzept trotz gewisser methodischer Mängel ein wichtiges Hilfsmittel sei, „um jenseits der vielen Einzelmaßnahmen und Einzelindikatoren ein Gesamtbild über die ⁠Nachhaltigkeit⁠ unserer Lebensweise zu erhalten.“

Als maßgeblicher Antreiber des Klimawandels bzw. der Erderwärmung gilt Kohlenstoffdioxid (CO2). Dieses Treibhausgas wird grundsätzlich durch natürliche Prozesse freigesetzt und erfüllt eine wichtige Funktion für das Gedeihen von Flora und Fauna auf der Erde. Doch gerade wegen der massiven Verbrennung fossiler Energieträger durch den Menschen erhöht sich der Ausstoß von CO₂ so drastisch, dass der Treibhauseffekt in einem schädlichen Maße befeuert wird und zu einer steigenden Erderwärmung führt, die rund um den Globus immer mehr Klimakatastrophen bewirkt.

Die durch den völkerrechtswidrigen und verbrecherischen Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise hat uns endgültig vor Augen geführt, dass wir raus müssen aus der fossilen Abhängigkeit. Und das geht in erster Linie mit dem konsequenten Umstieg auf erneuerbare Energien sowie durch die Förderung von Energieeffizienz und Suffizienz.

Auch das bürgerschaftliche Engagement nimmt eine wichtige Rolle ein. Viele zivilgesellschaftliche Akteure und Initiativen wie “Fridays for Future” sorgen hierzulande für den nötigen politischen Druck, damit beispielsweise das Pariser Klimaschutzabkommen auch mit Leben gefüllt bzw. umgesetzt wird. Doch auch Bürgerräte und direktdemokratische Klimaschutz-Initiativen in den verschiedenen Bundesländern zu Themen wie Energie- und Verkehrswende, Erhalt der Artenvielfalt oder Kohleausstieg tragen dazu bei.

Zudem gewinnt in der Klimadebatte der Begriff der Klimagerechtigkeit immer mehr an Bedeutung. Dieser umfasst verschiedenste ethische und politische Aspekte. Bezogen auf den oben angesprochenen „Earth Overshoot Day“ heißt dies, dass zwar weltweit alle Länder vom Klimawandel betroffen sind, jedoch jedes Land mehr oder weniger dazu beigetragen hat. Gerade die Industrienationen bzw. Länder des Globalen Nordens haben ihren Wohlstand in einem erheblichen Maße auf Kosten des Globalen Südens geschaffen – mit einem weitaus höheren CO₂-Ausstoß. Zugleich ist der Globale Süden in viel größerem Maße von der damit verbundenen Klimakrise betroffen.

Professor Walter Leal, Leitautor des Kapitels 8 (Poverty, livelihoods and sustainable development) des sechsten IPCC-Sachstandsberichts, erklärt dazu auf Klimareporter°, dass nicht einmal zehn Prozent der globalen CO₂-Emissionen aus Afrika stammten, aber der Kontinent dennoch am stärksten unter dem Klimawandel zu leiden habe.

Um Klimagerechtigkeit herzustellen, muss hier aus meiner Sicht der Globale Norden seine Verantwortung übernehmen und den Ländern und Menschen des Globalen Südens mit finanziellen Hilfen und Know-how zur Seite stehen, um die Folgen der Klimakrise zu bewältigen und eine klimafreundliche wirtschaftliche und technologische Entwicklung zu fördern.

[Quelle: Kippelemente – Großrisiken im Erdsystem | Grafik designed by Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK) e.V. | Wissenschaftliche Grundlage: David Armstrong McKay et al.: “Exceeding 1.5°C global warming could trigger multiple climate tipping points.”, Science (2022)]

Mit Blick auf eine globale Klimawende bleibt uns nicht mehr viel Zeit, bis bestimmte unumkehrbare Kipppunkte im Erdklimasystem erreicht sind, deren Überschreitung katastrophale Folgen für unsere Ökosysteme hätte. Nach dem aktuellen Stand der Klimaforschung wurden bis dato neun globale sowie sieben regionale Kippelemente identifiziert (siehe obige Grafik). Laut einer am 9. September 2022 im Fachmagazin „Science“ veröffentlichten Studie, die auf der Auswertung der Messdaten von 200 Studien zu Kippelementen basiert, könnten bereits vier Kipppunkte bis zum Jahr 2030 überschritten werden.

Ernüchternd ist dazu die Prognose von Hans Joachim Schellnhuber, Klimaforscher und Direktor Emeritus des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Er hält es nicht für realistisch, dass das 1,5-Grad-Limit noch zu halten ist. Damit verbunden stellt er aber fest:

„Wer die Klimagipfel-Verhandlungen kennt und die gnadenlose politische Realität dort, weiß: Paris war das Beste, was man damals bekommen konnte. […] Was man hoffen kann, ist, dass immer mehr Länder sich selbst in die Pflicht nehmen, einen 1,5- bis Zwei-Grad-Pfad einzuschlagen. […] Wenn das in vielen Ländern geschieht, führt es vielleicht zu einem ‘Race to the Top’, also zu einem segensreichen weltweiten Ambitionswettbewerb.” Zudem fordert er eine Energiewende:Das bisherige Wirtschaften ruiniert nicht nur das Klima und basiert auf Rohstoffen, die endlich sind, es stützt durch den fossilen Energiehunger auch autokratische bis diktatorische Systeme weltweit. Daher sollten wir nicht anstreben, eine Lieferanten-Diktatur durch die andere zu ersetzen. Wir können den Demokratiefeinden gewissermaßen das Wasser abgraben, wenn wir energieautark werden.”

Im Wissen um die aktuellen und zukünftigen Folgen der Klimakrise sollten wir in einen Wettbewerb um die besten Ideen und Lösungen für eine sozial-ökologische Transformation treten. Dabei können und müssen soziale Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit natürlich Hand in Hand gehen. Das stellen die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer und Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, in einem gemeinsamen Gastbeitrag im SPIEGEL treffend fest.

Nur mit einer intensiven internationalen Zusammenarbeit, die auf klimagerechte Lösungen setzt, werden wir dem Klimawandel im Sinne eines lebenswerten Planeten noch begegnen können.

Denn: Die Klimakrise kennt keine Grenzen!


PS: Übrigens gibt es schon länger eine Debatte, wie das exakte Framing bei der Klima-Berichterstattung aussehen sollte. Dass also z.B. das Wort „Klimawandel“ zu neutral und verharmlosend wäre und eher von „Klimakrise“ oder „Klimakatastrophe“ gesprochen werden müsse. Und in Frankreich haben erst kürzlich Medienschaffende eine Charta vereinbart, die eine andere Art und Weise der Berichterstattung vorsieht. So sollen die Themen Klima und Ökologie nicht mehr als gesonderte Rubrik behandelt werden, sondern als „Prisma“ für die Betrachtung vieler anderer Themen fungieren.