Zwei katholische Kliniken in Köln weisen ein Vergewaltigungsopfer ab. Möglicherweise könnte sie ja die „Pille danach“ verlangen, die eine beginnende Schwangerschaft verhindert. Auch wenn es aus wissenschaftlicher Sicht Unsinn ist, für christliche Fundamentalisten wäre es bereits eine Abtreibung. Der Fall schlägt in ganz Deutschland Wellen, doch eine Überraschung ist er eigentlich nicht. Katholische Kliniken sind, auch wenn zu 90 Prozent von Steuergeldern finanziert, eben nicht nur medizinische Einrichtungen, sondern unterliegen religiösen Dogmen.
Abtreibungen sind immer ein schwieriges Thema. Wie weit geht der Schutz ungeborenen Lebens, wie weit die Rechte der Frauen? Kaum eine Frau wird eine solche Entscheidung leichtfertig treffen. Doch die katholische Kirche beansprucht für sich, die Entscheidung für die Frauen zu treffen.
In Deutschland kann sie das nur noch begrenzt durchsetzen, die Aufklärung ist zu weit vorangeschritten. Doch der Druck fundamentalistischer Christen hat auch in Deutschland wieder zugenommen. Die Ärzte in den beiden Kliniken sollen Angst vor Entlassungen gehabt haben. Nicht nur für den Fall der Verschreibung der Pille danach, was in katholischen Kliniken grundsätzlich verboten ist, sondern auch dann, wenn man die betreffende Patientin über diese Möglichkeit informiert und diese entsprechend der gesetzlichen Vorschriften an einen anderen Arzt weitervermittelt.
Fälle wie diese gibt es in vielen Ländern. Da findet etwa ein vierzehnjähriges Mädchen in Polen, das vergewaltigt wurde, auf Druck der Kirche keinen Arzt, der eine Abtreibung vornimmt. In Polen ist die Abtreibung in besonderen Fällen erlaubt, zu denen unter anderem Vergewaltigung zählt. Als sie endlich in Warschau einen Arzt gefunden hat, wird sie von Priestern und Abtreibungsgegnern verfolgt. Hauptsache keine Abtreibung!
Wie es dem Mädchen geht und welche seelischen Wunden man ihm noch zusätzlich zufügt, ist egal. Oder das katholische Irland. Hier gilt ein recht restriktives Abtreibungsverbot. Eine junge schwangere Frau, Savita Halappanavar, wird mit Rückenschmerzen in eine Klinik eingewiesen. Die Ärzte sagen ihr, dass sie eine Fehlgeburt erleiden wird. Während der Fötus abstirbt, geht es Savita von Tag zu Tag immer schlechter.
Die junge katholische Frau schwebt in akuter Lebensgefahr, eine Abtreibung ist damit selbst in Irland zulässig. Sie und ihr Mann bitten darum, den Fötus zu entfernen. Doch die Ärzte weigern sich. Der 18 Wochen alte Fötus müsse erst im Bauch der Mutter sterben, bevor man ihn entfernen könne, denn „Dies ist ein katholisches Land.“ Die Entscheidung der Ärzte kostet sie das Leben. Die junge Frau wurde auf dem Altar eines religiösen Gebotes geopfert.
Über das Thema Abtreibung wird in Irland seitdem heftig diskutiert, auch viele Katholiken wollen jetzt die Vorschriften etwas lockern. Besonders heftig wurde die Auseinandersetzung um eine Abtreibung in Brasilien geführt. Der Hintergrund ist schon eine schreckliche Geschichte für sich. Ein neunjähriges Mädchen wurde drei Jahre lang von ihrem Stiefvater missbraucht. Das zierliche Kind (Größe: 1,33 cm; Gewicht: 36 Kilogramm) wird schwanger: mit Zwillingen. Die Schwangerschaft war für sie lebensgefährlich, eine erfolgreiche Geburt, auch nur eines Kindes, erschien den Ärzten als unwahrscheinlich. Das brasilianische Gesetz lässt bei solchen extremen Risikoschwangerschaften eine Abtreibung zu. Die Kirche war anderer Meinung und drohte der Mutter mit einer Klage wegen Mordes (haltlos nach der Gesetzeslage).
Priester versuchten, auf alle Beteiligten Druck auszuüben und drohten unter anderem mit Kirchenstrafen. Nach der Abtreibung ließ Erzbischof Jose Cardoso Sobrinho die Mutter, die Ärzte und das gesamte Pflegepersonal exkommunizieren. Zitat: „Wir halten das für Mord. […] Das Gesetz Gottes steht über dem der Menschen. Wenn also ein von Menschen gemachtes Gesetz dem Gesetz Gottes widerspricht, verliert es jeglichen Wert.“
Der Fanatismus zeigt sich hier ohne Rücksicht auf die Konsequenzen. Das religiöse Dogma steht über allem, auch über der Menschlichkeit. Das Problem sind nicht die religiösen Werte, die Menschen oft Halt geben. Und wer würde eine Regel wie „Du sollst nicht töten“ nicht grundsätzlich verteidigen? Es ist auch gut, dass sich Kirchen für den Schutz ungeborenen Lebens einsetzen. Als Teil einer öffentlichen Debatte leisten sie oft einen wichtigen Beitrag.
Doch das Einnehmen dogmatischer Positionen ist immer ein Problem. Jede Position, ob religiös oder nicht, muss in der Lage sein, sich einem rationalen Diskurs zu stellen. Sonst wird sie ganz schnell menschenverachtend und ist weit entfernt von Barmherzigkeit …