Bürgerklage gegen CETA

(Foto by Ferdinando Iannone / Campact, frei zur nicht-kommerziellen Nutzung. Für kommerzielle Verwendung wenden Sie sich bitte an . | Creative-Commons-Lizenz: CC BY-NC 2.0)

Die Organisationen Mehr Demokratie, Campact und foodwatch haben am 30. August 2016 gemeinsam mit über 125.000 Menschen eine Verfassungsbeschwerde gegen CETA in Karlsruhe eingereicht. Es ist die größte Bürgerklage in der Geschichte der Bundesrepublik. Am 13. Oktober 2016 verkündete das Gericht, dass CETA im Hauptsacheverfahren verhandelt wird und machte der Bundesregierung Auflagen bezüglich der vorläufigen Anwendung – ein Teilerfolg. Wenn es gelingt, CETA zu verhindern, dann könnte dies zugleich das Scheitern von TTIP bedeuten.

Im Einzelnen richtet sich die Massenverfassungsbeschwerde gegen das Zustimmungsgesetz zu CETA, die Begleitgesetze sowie die Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat der Europäischen Union zur Unterzeichnung und zum Abschluss des CETA-Vertrages und dessen vorläufige Anwendung. Letzteres bedeutet, dass die EU-Organe CETA in Kraft setzen können, noch bevor die nationalen Parlamente über das Abkommen entschieden haben.

Mit seinem am 13. Oktober 2016 verkündeten Urteil hat das Bundesverfassungsgericht mehrere Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es verpflichtete jedoch die Bundesregierung zur Befolgung einiger Maßgaben, damit die Rechte der Beschwerdeführer/innen sowie die Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages gewahrt bleiben. So muss die Bundesregierung völkerrechtsverbindlich klarstellen, dass die vorläufige Anwendung von CETA einseitig durch einen Mitgliedstaat gekündigt werden kann. Die Verfassungsbeschwerde wird im Jahr 2017 im Hauptsacheverfahren behandelt.

Vor allem große Konzerne lobbyieren für CETA. So ist das auch bei TTIP und ähnlichen Abkommen. Wie massiv dieser Einfluss ist und auf welche offenen Ohren dieser bei der EU-Kommission trifft, zeigte zuletzt LobbyControl am Beispiel des Dienstleistungsabkommens TiSA auf. Zitat: „Unsere Analyse der TiSA-Lobbytreffen zeigt: Konzerninteressen genießen bei der EU-Kommission hohe Priorität.“ (Quelle: EurActiv.de) Ich habe dieses Problem ausführlich im Artikel „TTIP und CETA: Ein Manifest der Konzerne“ thematisiert.

Die in CETA (und auch TTIP) vorgesehenen Expertengremien, die Sonderklagerechte für Investoren und vor allem auch die fehlende Beteiligung des Deutschen Bundestages und der Bevölkerung sind nicht hinnehmbar. Mit dem sogenannten Investitionsgericht (ICS) werden weitreichende Sonderklagerechte für ausländische Unternehmen festgeschrieben. Investoren würde es so ermöglicht, Regierungen zu verklagen, sobald die vom Unternehmen erwarteten wirtschaftlichen Gewinne zum Beispiel aufgrund von schärferen Gesetzen im Sinne des Verbraucher- oder Umweltschutzes geschmälert werden. Damit wird eine gefährliche Paralleljustiz geschaffen!

Zudem ist durch die geplante „regulatorische Zusammenarbeit“ offiziell festgeschrieben, dass Lobbyist/innen die Gesetzgebung noch vor den Parlamenten beeinflussen können. Denn für die Auslegung und Umsetzung von CETA soll ein „Joint Committee“ mit noch unklarer Zusammensetzung zuständig sein. Dieses Expertengremium kann CETA als „living agreement“ auch nach seinem Abschluss noch entscheidend weiterentwickeln und verändern. Damit werden demokratische Rechte der Bürger/innen ausgehöhlt. Nach Artikel 23 GG haben der Bundestag und die Bundesländer (durch den Bundesrat) ein Mitwirkungsrecht in Angelegenheiten der Europäischen Union. Artikel 59 GG hält zudem fest, dass der Bundestag bei Verträgen, die die politischen Beziehungen Deutschlands regeln, mitwirken oder zustimmen muss.

Im CETA-Vertrag geht es also nur am Rande um den Abbau von Zöllen oder die Angleichung von technischen Standards wie Schraubenlängen und Blinkerfarben. Im Kern des Abkommens stehen gesellschaftspolitische Standards, die viele Bereiche unseres täglichen Lebens betreffen. Umwelt- und Klimaschutz oder Verbraucher- und Arbeitnehmerrechte werden in CETA vor allem als Handelshemmnisse betrachtet, die Kosten für die Wirtschaft erzeugen. Durch die in dem Vertrag vorgesehene Angleichung von Standards und die Zusammenarbeit bei gesetzlichen Regulierungen droht die ernste Gefahr, dass notwendige Verbesserungen unserer Standards in Zukunft nur noch schwer oder überhaupt nicht mehr möglich sein werden.

Solange diese Möglichkeit nicht besteht, bleibt den vielen aktiven und engagierten Menschen in unserer Gesellschaft nichts anderes übrig, als solche Wege des Widerstandes zu gehen. Obwohl die berechtigte Kritik an CETA und TTIP und der Protest dagegen immer breiter wird, machen weiterhin viele einflussreiche politische Entscheidungsträger/innen deutlich, dass sie an den Handelsabkommen festhalten. Daher ist es außerordentlich wichtig, auf verschiedenen Wegen aktiv dagegen vorzugehen – auch juristisch.