(Foto by Leonard Wolf/OKF | Lizenz: CC-BY 4.0)
Wem gehören die Informationen von Politik und Verwaltung? Klar: Der Öffentlichkeit, also uns. In der Praxis sieht das in den meisten Bundesländern aber anders aus. Zu oft mauern die Behörden und halten wichtige Informationen zurück. Werden diese doch widerwillig herausgegeben, dann erst nach vielen Wochen gegen eine hohe Gebühr. In Hamburg war es 2012 einem zivilgesellschaftlichen Bündnis erfolgreich gelungen, dieses bürgerferne Handeln per Volksinitiative zu ändern.
Nun gibt es auch in Berlin den Versuch, per direkter Demokratie ein Transparenzgesetz einzuführen. Das von Mehr Demokratie e.V. und Open Knowledge Foundation initiierte und von über 40 Organisationen unterstützte Berliner Volksbegehren „Volksentscheid Transparenz“ fordert mehr Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf Zugang zu öffentlichen Informationen. Am 2. August 2019 fiel der Startschuss zur Unterschriftensammlung mit einer Aktion vor dem Roten Rathaus: Hier Fotos auf Flickr anschauen …
Mit einem Volksentscheid könnte ein Transparenzgesetz für Berlin verbindlich durchgesetzt werden. Das ist auch dringend nötig! Das zeigt u. a. dieses Beispiel: Ein Vertrag zwischen dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf und der Groth-Gruppe über den Bau von 2.500 Wohnungen wird seit einem Jahr unter Verschluss gehalten. Warum? Der Bezirk beruft sich wie so oft auf Geschäftsgeheimnisse des Investors, um die Informationen nicht herausgeben zu müssen. Geschäftsinteressen bekommen somit Vorrang vor dem Recht auf Information. Öffentliche Kontrolle? Fehlanzeige!
(Video-Beitrag zur Initiative in der rbb Abendschau am 3. August 2019)
Deshalb sollen Politik und Verwaltung dazu verpflichtet werden, wichtige Dokumente zentral, leicht zugänglich und kostenlos abrufbar auf einem Internetportal zu veröffentlichen – darunter Senatsbeschlüsse, Verträge, Gutachten, die öffentliche Auftragsvergabe, Sponsoring. Die landeseigenen Unternehmen müssten dann Informationen herausgeben, der Senat die Treffen mit Lobbyisten offenlegen und die hohen Gebühren wären Geschichte. Das Bündnis geht von einmaligen Kosten zur Einrichtung des Portals von 10,3 Millionen Euro aus. Die laufenden Kosten würden 1,75 Millionen Euro pro Jahr betragen. Ein Schnäppchen für die Stärkung der Demokratie!
(Hier sammle ich Unterschriften auf dem Boxhagener Platz. Schon nach drei Wochen haben mehrere tausend Menschen für unsere Initiative unterschrieben. | Foto by Leonard Wolf/OKF | Lizenz: CC-BY 4.0)
Die Forderungen von „Volksentscheid Transparenz“ lauten:
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Transparente Politik, transparente Verwaltung
Das Transparenzgesetz verpflichtet Senat und Behörden, für die Öffentlichkeit wichtige Informationen offenzulegen. Dazu gehören unter anderem Senatsbeschlüsse, geheime Verträge mit Unternehmen, Gutachten z.B. zur Wasserqualität oder Entwicklung von Grundstückspreisen sowie Daten zu Aufträgen der öffentlichen Hand. Die Verwaltung muss diese Informationen zentral und kostenlos auf einer Online-Plattform zugänglich machen. -
Kontrolle und echte Mitbestimmung
Eine aktive Veröffentlichung von Informationen hilft Bürger:innen, Journalist:innen und Initiativen, frühzeitig Einblick in das Handeln von Politik und Verwaltung zu erhalten. Nur wer zum Beispiel weiß, wo es an Kita-Plätzen fehlt, kann etwas dagegen tun. Transparenz wirkt gegen Steuerverschwendung und Korruption. Milliardenteure Desaster wie der BER-Flughafen und die Staatsoper zeigen, dass wir dringend mehr öffentliche Kontrolle brauchen! -
Transparenz für Unternehmen des Landes
Das Land Berlin hält Beteiligungen an über 200 privaten Unternehmen, darunter die Flughäfen, Wohnungsunternehmen, Investmentfirmen und Krankenhäuser. Bisher gibt es keine öffentliche Kontrolle dieser Bereiche. Das ändern wir! Mit dem Transparenzgesetz müssen auch Unternehmen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, wichtige Informationen offenlegen. -
Lobbyismus unter die Lupe nehmen
Wer schreibt an den Berliner Gesetzen mit? Mit dem Transparenzgesetz muss der Senat offenlegen, welche Organisationen und Lobbygruppen Einfluss auf Gesetze haben und mit welchen Interessenvertretungen sich der Senat trifft. -
Alle Infos online an einem Ort
Wer Informationen der Berliner Behörden sucht, verliert sich schnell im Webseiten-Dschungel der einzelnen Verwaltungen. Unser Gesetz legt fest, dass alle wichtigen Informationen auf einer Transparenz-Plattform veröffentlicht werden müssen. Eine Plattform, eine Suche. So einfach kann es sein. -
Gebühren für Auskünfte abschaffen
Wer derzeit von Behörden Informationen erfragt, muss nach dem Gesetz dafür Gebühren zahlen. Sogar E-Mails von Behörden sind kostenpflichtig. Wir schaffen Gebühren für Auskünfte ab. Informationen des Staates müssen für alle zugänglich sein – nicht nur für Personen mit einem dicken Geldbeutel! -
Ausnahmen werden zur Ausnahme
Zurzeit wird jede dritte Anfrage an Behörden abgelehnt. Dabei berufen sich die Behörden oft zu Unrecht auf Ausnahmen wie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen. Mit dem Transparenzgesetz wird das Recht der Bürger:innen auf Information gestärkt. Behörden müssen dann häufiger Informationen herausgeben. -
Förderung wirtschaftlicher Innovationen
An welcher Kreuzung gibt es die meisten Unfälle? In welchem Bezirk werden CO₂-Grenzwerte überschritten? Wo ist der Lärmpegel besonders hoch? Die Verwaltung erhebt solche Daten, legt sie aber nicht offen. Dabei könnten die Bürger:innen enorm von ihnen profitieren. Wissenschaftler:innen, Aktivist:innen, Journalist:innen können die Daten auswerten und mit Apps und Plattformen die Gesellschaft informieren. So werden die mit Steuermitteln erzeugten Daten zu einem echten Gemeingut. Das volkswirtschaftliche Potenzial der offenen Daten liegt laut einschlägigen Studien alleine für Berlin bei 20 bis 50 Millionen Euro. - Effiziente Verwaltung
Wer profitiert am meisten von Transparenz? Die Behörden selbst. Das zeigen die Erfahrungen mit dem Transparenzgesetz in Hamburg. Wenn zentrale Informationen online einsehbar sind, sind sie auch für die Verwaltung einfacher zu finden. Das erleichtert behördeninterne Abläufe, erspart Abstimmungen und Mehrarbeit. Die Digitalisierung der Behörden wird vorangetrieben.
Damit unsere Initiative erfolgreich ist, müssen in einem ersten Schritt binnen sechs Monaten 20.000 Unterschriften gesammelt werden. Sollte das Abgeordnetenhaus den Gesetzesvorschlag unseres Bündnisses danach nicht übernehmen, geht die Initiative Anfang 2021 ins Volksbegehren. Binnen vier Monaten müssen dann 175.000 Berlinerinnen und Berliner unterschreiben, um einen Volksentscheid einzuleiten. Der Volksentscheid würde dann am Tag der Bundestagswahl im Herbst 2021 stattfinden.
Weitere Informationen gibts hier: volksentscheid-transparenz.de